Junge Börsianer sind oft sehr euphorisch beim Aktienkauf. Das schnelle Geld wird gewittert. Die Medien suggerieren von hohen Profiten in kurzer Zeit. Abgesehen von Ausnahmen sind Aktieninvestments aber meist kein schneller Weg, um Vermögend zu werden. Wer es aber richtig anstellt und nicht zu spekulativ an die Sache herangeht, kann sich ein ordentliches Finanzpolster schaffen. Persönlich ist es mir nicht wichtig, ultra vermögend zu werden. Eine solide Absicherung meiner finanziellen Mittel ist für mich auskömmlich. Für mich steht die langfristige Anlage in Aktien im Fokus, die mir im Alter finanziellen Spielraum bieten soll. Ganz im Sinne des Liedtextes von Udo Jürgens in seinem Song "Mit 66 Jahren":
Mit sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an
Mit sechsundsechzig Jahren, da hat man Spaß daran
Mit sechsundsechzig Jahren, da kommt man erst in Schuss
Mit sechsundsechzig ist noch lange nicht Schluss
(Udo Jürgens)
Natürlich ist 66 bereits ein hohes Alter. Ich befinde mich aber auch bereits in meinen 40ern und habe erst im Alter von 33 Jahren mit dem Investieren begonnen. Erst heute, am 8. Oktober 2024, lautete es in den Nachrichten: „Es gibt immer mehr Rentner" und „Immer mehr Rentner sind Sozialhilfebedürftig". Dies macht deutlich, dass das deutsche Renten- und Sozialsystem vor großen Problemen steht.
In der Hoffnung später nicht selbst vor finanziellen Problemen zu stehen, baue ich langfristig auf die Börse. Die folgenden Punkte bilden eine kleine Sammlung meiner bisherigen Erfahrungen an der Börse ab und sollen aufzeigen was mir beim Investieren wichtig ist.
Finanzen in die eigene Hand nehmen
Für den Vermögensaufbau ist es wichtig sein verfügbares Budget zu kennen. Der erste und wichtigste Schritt ist der, seine Finanzen in die eigene Hand zu nehmen und so sein eigener Finanzverwalter zu werden. Mache es wie die Staaten Kanada oder Norwegen und bilde dir deinen eigenen Pensions-Fonds. Hierzu gehört es, sich einen Überblick über die eigenen Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen. Die monatlichen Fixkosten wie Miete, Mietnebenkosten, TV- oder Handygebühren sind vermutlich schnell erfasst. Bei den variablen Ausgaben für Hobby oder Freizeit etc. sieht es mitunter schwieriger aus. Hier kann es helfen, sich ein Haushaltsbuch anzulegen und dieses für eine gewisse Zeit zu führen. Wer sich mit seinen Finanzen beschäftigt, sollte auch einen kritischen Blick auf seine Ausgaben legen. Werden wirklich alle abgeschlossenen Versicherungen benötigt? Können die Nebenkosten vielleicht durch einen Anbieterwechsel gesenkt werden? Gibt es einen alternativen Mobilfunktarif, benötige ich noch das Abo für das Fitnessstudio etc.? Kleinvieh macht auch Mist!
Der zweite Schritt liegt im Abbau vorhandener Konsumschulden. Damit lässt es sich ruhiger schlafen. Die Anschaffung eines Autos, Handys, TV oder gar der Urlaub auf Pump hält einen arm und bereichert nur andere. Bei einem Eigenheim sehe ich dies inzwischen aber anders. Mietsteigerungen und die ständige Gefahr, auf Eigenbedarf gekündigt zu werden, erschweren das Familienleben in einem sehr angespannten Immobilienmarkt. Mit entsprechender Pflege schafft das Eigenheim einen bleibenden Wert und dient zusätzlich der Selbstverwirklichung.
In einem dritten Schritt sollte ein Notgroschen beiseite gelegt werden, damit das Auto repariert oder die Waschmaschine erneuert werden kann. Erst anschließend sollten sich Gedanken über das Investieren an der Börse gemacht werden. Natürlich können heute auch die Vorteile eines Sparplans genutzt werden. Parallel zu den ersten drei Schritten können kleine Sparpläne beim Sammeln eigener Erfahrung helfen.
Auf die richtigen Unternehmen setzen
So banal und einfach dieser Punkt auch klingt, ist er wohl der wichtigste und zugleich schwierigste Punkt beim Vermögensaufbau. Leider kann niemand die Zukunft vorhersagen. Niemand kann mit Gewissheit sagen, wie sich ein Unternehmen zukünftig entwickeln wird. Woran wir uns jedoch bedienen können, ist die Vergangenheit. Die Historie eines Unternehmens kann eventuell Aufschluss über seine Zukunft geben. Zu prüfen ist jedoch sein Alleinstellungsmerkmal, die Tätigkeit des Managements und seine Innovationskraft.
Was erschwert den Markteintritt möglicher Konkurrenten?
Handelt es sich bei dem Geschäftsmodell um ein Auslaufmodell (Bsp.: Kodak, Nokia etc.)?
Wie wird das Unternehmen gemanagt?
Arbeitet das Unternehmen an neuen Produkten?
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Etablierte Unternehmen kommt die Aufgabe zuteil, ihre Position am Markt zu halten und auszubauen. Sie müssen innovativ genug sein, um auf Veränderungen im Markt reagieren zu können. Coca Cola als Beispiel testet u.a. in regelmäßigen Abständen neue Geschmackssorten, reduziert den Zuckergehalt in seinen Getränken und betreibt ein hervorragendes Marketing. So sollen die Zielgruppen auch zukünftig erreicht werden. Diese Aufgabe obliegt dem Management eines Unternehmens.
Eine Markt- und Unternehmensanalyse kann bei der Bewertung und Suche geeigneter Unternehmen helfen. Der Ansatz des Value-Investing (wertorientieres Anlegen) orientiert sich an der Fundamentalanalyse und ist vor allem auf Benjamin Graham und David Dodd aus den 1930er-Jahren zurückzuführen. Hierbei werden verfügbare Unternehmensdaten aus Geschäftsberichten analysiert und daraus betriebswirtschaftliche Kennzahlen abgeleitet. Value-Investoren interessieren sich für den inneren Wert eines Unternehmens, der sich aus Gewinnprognosen und Umsatzwachstum bestimmen lässt. Die Interpretation der Kennzahlen ist hierbei aber mehr Kunst als Wissenschaft. Aus diesem Grund wird der innere Wert zumeist nach dem Konzept der “Margin of safety“ um eine Sicherheitsmarge reduziert. Bei richtiger Analyse zeigt die Differenz zwischen dem ermittelten "fairen" Wert und dem Marktwert das mögliche Potenzial und zugleich die Sicherheit eines Investments auf.
Für junge Unternehmen (Growth-Investing) gelten hier andere Maßstäbe. Bei dieser Anlagestrategie werden Kauf- und Verkaufsentscheidungen vorwiegend nacxh Aussicht zukünftiger Wachstumspotenziale getroffen. Bei diesem Ansatz orientieren sich Anleger zumeist am Potential und den disrubtierenden Kräften neuer Unternehmen. Sind sie fähig, etablierte Unternehmen anzugreifen oder gar in ihrer Existenz zu gefährden? An dieser Stelle kann als Beispiel das Unternehmen Amazon erwähnt werden. Zum Leidwesen des stationären Handels hat es Amazon (Gründung 1994) in relativ kurzer Zeit geschafft, den Handel von Waren zu revolutionieren. Die Vorhersagbarkeit solcher Entwicklungen ist sehr schwierig. Es erfordert mitunter viel Wagnis und Risiko. Ein Scheitern junger Unternehmen ist jederzeit möglich. Dies muss bei der eigenen Anlagestrategie bedacht sein.
Geduld mitbringen
Der Vermögensaufbau mit Aktien ist mitunter ein langwieriger Prozess. Persönlich würde ich 30 - 40 Jahre ansetzen. Für Spekulanten ist das eher nichts, für Investoren aber durchaus realistisch. Der frühe Vogel fängt daher den Wurm. Wer bereits in jungen Jahren startet, kann seine Ziele eher erreichen und die Früchte seiner Leistung ernten. Zu berücksichtigen sind natürlich die Startbedingungen und die Höhe des regelmäßig zur Verfügung stehenden Investmentbudgets. Als Wermutstropfen kann gesagt werden, dass Rom auch nicht in einer Nacht erbaut wurde. Die Börse verlangt Geduld, um ans Ziel zu kommen. Wer es richtig anpackt, dem hilft in der Regel aber der Zinseszinseffekt beim Erreichen seiner Ziele.
Die Zeit wird aber für einige Überraschungen an der Börse sorgen. Rücksetzer oder größere Crashs können für Unmut sorgen und die Anlage in Aktien in Frage stellen. Die Märkte werden von Angst und Gier beherrscht. Heute können (wenn überhaupt) nur wenige von der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 und deren Folgen berichten. Am Beispiel der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 jedoch lässt sich erkennen, welchen rasanten Anstieg die Börse nach einem großen Einbruch nehmen kann. Ein Kursverfall sollte daher als Chance begriffen werden. Es handelt sich zuallererst immer nur um einen Buchverlust. Erst eine Verkaufsorder führt zur Realisierung der Verluste. Wichtig ist, dass der Kurs einer Aktie allein nichts über die Güte eines Unternehmens aussagt. Der Zusammenbruch eines gesamten Marktes ist daher nicht gleichzusetzen mit dem Missmanagement eines Unternehmens. Ein Investment an der Börse darf persönlich niemals zu einer existenziellen Bedrohung werden. Ein wichtiges Zitat von Warren Buffett lautet: "Ich kaufe in der Annahme, dass die Börsen am nächsten Tag schließen könnten und dann fünf Jahre nicht wieder geöffnet werden.“
Anfänglich verfolgte ich keine klare Strategie und vernachlässigte wichtige Finanzkennzahlen. Diesem Umstand geschuldet habe ich einiges an Lehrgeld bezahlt. Nach den Worten von André Kostolany handelt es sich hierbei um Schmerzensgeld, denn "Gewinne an der Börse sind Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen und dann das Geld." "Das Geheimnis, mit Aktien Geld zu machen, liegt darin, sich nicht von ihnen abschrecken zu lassen", meinte einst Peter Lynch. Weiter sagte er: "Aktien können um maximal 100 Prozent fallen, aber unendlich nach oben steigen."
Ausgewogen investieren
"Wenn man weiß, wie man Unternehmen analysiert und Unternehmen bewertet, ist es verrückt, 50 oder 40 oder 30 Aktien zu besitzen, weil es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so viele wunderbare Unternehmen gibt, die für einen einzelnen Menschen verständlich sind", lautet ein berühmtes Zitat von Warren Buffett.
Fokussiertes Anlegen kann die Rendite maximieren! Wenn ich jedoch alles auf eine Karte setzen wollte, wäre ich Unternehmer geworden. Das Risiko zu streuen ist aus meiner Sicht kein Fehler. Diversifikation stellt für mich einen Schutz gegen Unwissenheit gegenüber der Zukunft dar. Sie verspricht mir Stabilität. Als Einkommensinvestor sind Dividenden für mich ein wichtiger Faktor. Hier wünsche ich mir über das Jahr verteilt planbare und gleichbleibende Einkünfte. Ausgewogenes Investieren in unterschiedliche Unternehmen und Branchen hilft mir dabei, konjunkturbedingte Reduzierungen oder Streichungen von Dividendenzahlungen zu kompensieren und dabei COOL zu bleiben. Ob dies eine Verteilung auf 50 Unternehmen erforderlich macht, bleibt dabei jedem selbst überlassen. Ich habe mir auf diese Weise meinen persönlichen börsengehandelten Fonds (ETF) geschaffen.
Vermeintliche Tipps meiden
Täglich grüßt das Murmeltier. Gemeint sind damit vermeintliche Aktientipps. Dem Anleger werden dabei zumeist horrende Chancen bei einem schnellen Einstieg versprochen. Ganz nach dem Motto: "Wer nicht bei drei auf'm Baum sitzt, ist selbst schuld." Hier sollte aber immer die kritische Frage gestellt werden, was es den Tippgebern selbst bringen könnte, diese der breiten Masse kund zu tun? Wichtig ist zu wissen, dass die Börse vom Auf und Ab der Aktienkurse lebt. Anleger sollten daher Tippgeber einer genauen Prüfung unterziehen. Wie ist der Tippgeber selbst investiert, für wen arbeitet er, wer ist sein Sponsor, will er womöglich eigene Verlustgeschäfte reduzieren oder den Kurs in die Höhe treiben bzw. Gewinne absichern? Persönlich versuche ich, jegliche Tipps und Trends zu meiden. Die breite Masse wird meistens erst dann informiert, wenn der Zug längst abgefahren ist. Bei Finanznachrichten ist es wichtig, zwischen Strohfeuerung und fundamental wichtigen Informationen zu unterscheiden. Allgemein am besten ist es der Weisheit von André Kostolany zu folgen: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie Ihre Investments nicht mehr an."
Gezeichnet im Oktober 2024